Sie darf jetzt auf dem Beifahrersitz fahren! Und Du hast hoffentlich den Beifahrer-Airbag deaktivireren lassen?
"Kopiert von Rolf Benninghaus
Hallo zusammen, vorhin hat es hier einen Beitrag zu der Frage gegeben: „Hund auf Beifahrersitz, Airbag deaktivieren, ja oder nein“. Ich hatte da auch etwas zu geschrieben, und mir die vielen Antworten durchgelesen. Das hat mir gezeigt dass es viel Unsicherheit gibt wie ein Hund im Auto gesichert werden kann oder soll.
Ich habe 30 Jahre in der Fahrzeuginsassensicherheit gearbeitet. Um das klarzustellen, ich habe keine Airbags oder Rückhaltesysteme entwickelt, war aber verantwortlich für die Entwicklung und Produktion der metallenen Einzelteile für vorgenannte Systeme. In diesem Zusammenhang lernt man zwangsläufig wie die Systeme funktionieren und ich habe auch einige Crashtests gesehen und an unzähligen Schlittentests teilgenommen. (Da wird ein Dummy auf einen Schlitten geschnallt und ohne Auto drumherum gecrasht.) Ich denke dass ich somit die Frage, wie ein Hund im Auto untergebracht wird, ganz gut beleuchten kann.
Zuallererst die unangenehme Wahrheit. Es gibt kein System dass einem Hund, im Falle eines Unfalls, eine Sicherheit gibt, die auch nur annähernd auf dem Niveau ist, wie der Schutz für die menschlichen Insassen. Das ist bitter, aber leider wahr.
Ich versuche mal einen ganz kurzen Überblick zu geben was im Falle eines Unfalles passiert. Daraus ergibt sich dann schon eine gewisse Logik, warum manche Systeme für den Hund wenig bis gar nichts bringen.
Das Auto hat einen Unfall. Je nach Autotyp, Alter, Preisklasse usw. erkennen mehr oder weniger Sensoren im Auto dass ein Unfall passiert. Jetzt lösen ein paar kleine Sprengsätze aus und die Gurtstraffer versuchen, den Gurt aufzurollen und so jede Gurtlose aus dem System zu nehmen. Der Körper wird sozusagen in den Sitz gezogen 1*. Der Oberkörper verlagert nach vorne. Jetzt wirkt der Gurt auf den Oberkörper und es treten enorme Kräfte auf. Nun tritt der Gurtkraftbegrenzer auf den Plan. Er versucht die Kräfte so zu reduzieren dass die Verletzungen durch den Gurt möglichst vermindert werden. Dieser Ablauf passiert im Bruchteil einer Sekunde. Jetzt wird der Oberkörper weiter nach vorne verlagert und trifft auf den Airbag 2*. Der Airbag wird zeitlich so gezündet dass er den Oberkörper im idealen Zeitpunkt trifft. Dazu gehört unbedingt der vorherige zeitliche Ablauf des Gurtsystems mit straffen und nachgeben. Ist man nicht angeschnallt trifft man viel zu früh auf den nicht gefüllten Airbag, oder, der Airbag löst nicht aus weil er glaubt niemand angeschnallt, niemand da.
Anschnallen auf den Beifahrersitz
1* Was passiert mit dem Gurtstraffer bei handelsüblichen Anschnallgurten für Hunde? Nichts, ein ganz wichtiges Element für die Sicherheit verpufft wirkungslos.
2* Der Hund sitzt auf dem Beifahrersitz und ist mit einem Anschnallgurt für Hunde gesichert. Diese Systeme sind so „lose“ dass der Hund auf jeden Fall weit nach vorne fliegt. Ich vermute, er trifft den sich gerade aufblasenden Airbag. Wobei aufblasen nicht ganz passt, explodieren trifft es eher. Der Hund trägt schwerste, oder tödliche Verletzungen davon. Wird der Airbag deaktiviert, fliegt der Hund dennoch nach vorne. Jetzt wird ihn der Gurt in Kombi mit dem Geschirr bremsen. Je nach Fahrzeuggeschwindigkeit, wird der Hund mit geradezu unglaublicher Geschwindigkeit nach vorne fliegen. Die Kräfte die der Gurt auf den Körper überträgt, verursachen schwerste oder tödliche Verletzungen.
Beifahrersitz ist, Airbag hin oder her, im Falle eines schweren Unfalls, der schlechteste Platz für einen Hund im Auto.
Rücksitzbank angeschnallt
Die für den Beifahrersitz genannten Nachteile gelten ähnlich für die Rücksitzbank. Der Hund fliegt im Falle eines Unfalles in sein Geschirr und wenn die Geschwindigkeit hoch genug ist, verletzt oder töten ihn die auftretenden Kräfte. Vielleicht trifft er auf die Rückseite der Vordersitze und die dämpfen seinen Aufprall. Glaube ich aber nicht und diese vage, positive Hoffnung würde ich in meinen Überlegungen nicht berücksichtigen. Keiner sollte auf die Idee kommen, seinen Hund auf der Rücksitzbank nicht anzuschnallen, in der Hoffnung dass er von den Vordersitzen „sanft“ aufgehalten wird. Ich habe einen Crashtest gesehen bei dem ein unangeschnallter Kinderdummy durch die Windschutzscheibe geflogen ist, dass wollt ihr nicht bei eurem Hund erleben. Ich halte die Option „Rücksitzbank angeschnallt“ nicht für eine gute. Ein wenig besser wie vorne, aber nicht gut.
Rücksitzbank Stoffbox
Ich muss zugeben dass es mir schwerfällt dass zu beurteilen. Der Hund dürfte im Falle eines Aufpralles mitsamt der Box durchs Auto fliegen. Ob man die Box überhaupt anschnallen kann weiß ich nicht. Ich vermute die Befestigungspunkte würden direkt abreißen. Die Chance dass er mitsamt der Box auf die Vordersitze trifft, scheint mir aber nicht schlecht zu sein. Ich würde eine Stoffbox auf der Rücksitzbank, auf jeden Fall dem anschnallen im Geschirr vorziehen.
Kofferraum/Ladefläche
Dazu muss man folgendes wissen. Bei den moderneren Autos fungiert der Kofferraum als sogenannte Crashbox. Das heißt nichts anderes, als dass der Kofferraum bewusst so gestaltet wird, dass er im Falle eines Heckaufpralles nachgibt und sich zusammenschiebt. Damit wird versucht die Kräfte des Aufpralles abzubauen.
Daher würde ich von einer Stoffbox im Kofferraum absehen. Die wird keinerlei Widerstand leisten wenn der Kofferraum zusammengeschoben wird.
Eine hochwertige Aluminiumbox mit Notausstieg kann Kräfte aufnehmen und es besteht die Chance dass ein Überlebensraum für den Hund bleibt. Zusätzlich hoffe ich, dass der Hund bei einem Frontaufprall gegen die Rückwand geschleudert wird, und die auftretenden Kräfte mit dem ganzen Körper abfangen kann. Zusätzlich sichert so eine Alubox auch bei einem Überschlag den Hund. Für mich persönlich ist also eine hochwertige Alubox im Kofferraum die erste Wahl.
Das alles ist nur meine persönliche Meinung und dient nur als Diskussionsgrundlage. Eure Kaufentscheidungen bleiben selbstverständlich euch überlassen.
Das ist jetzt sehr lang geworden, Sorry! Aber dass ist schon ein sehr vereinfachter Überblick.
Zum Ende gönne ich mir noch ein wenig Fachidiotie.
1. Keine dicken, plüschigen Winterjacken im Auto. Die verhindern die Arbeit des Gurtstraffers, er zieht dann ins Leere. Das kann den Unterschied zwischen leichtverletzt oder schwerverletzt machen.
2. Für die Frauen die den Gurt über Schlüsselbein und Brust als unangenehm empfinden und den Gurt unter dem Arm herlegen. Macht das bitte nicht, das ist im Falle eines Unfalles lebensgefährlich.
Klugscheissernde Grüße
Rolf"
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