Hier mal eine Kritik u.a. über das genannte Buch und den Autor:
Planet (UN)Wissen ODER lieber SWR: "Setzen, Sechs" ODER warum Prof. Dr. auch nichts sagt.
Wer zufällig die Sendung "Planet Wissen" vom 28.7. gesehen hat incl des Beitrags zu Merle, dem darf ich mein Bedauern aussprechen, denjenigen, die die Vergeudung von GEZ Gebühren nicht gesehen haben: Ihr habt nichts verpasst.
In dem Beitrag war fast nichts fachlich korrekt, dafür aber alles zum Haare raufen. Lassen wir mal den Teil beiseite, wo die Käuferin eines Border Collies (wir erinnern uns, eine der aktivsten und immer noch auf Arbeit selektierten Rassen) erzählt, dass sie den Hund "nach Farbe" ausgesucht hat und selig lächelnd sagt "der war einfach niedlich", wo schon jedem Hundebesitzer klar wird: Weder über die Rasse, noch über Merle jemals informiert und garantiert ein Kleinanzeigen-Hund. Jedes für sich ist ja schon fahrlässig, in Zeiten von Internet, Facebook und Co, wo Informationen schnell und kostenlos verfügbar sind. Wo findet man eigentlich solche Leute, die wirklich alles falsch machen?
Gehen wir mal einige Aussagen des Beitrags durch:
"Das helle, auffällig gesprenkelte Fell ist ein Modetrend" - Nein, ist es nicht. Merle existiert seit Jahrhunderten (mind 250-500 Jahre alt), lange bevor es das Konzept "Rasse" überhaupt gab und ist vor allem in Rassen vorhanden, die vornehmlich auf Leistung selektiert wurden.
Dann kommt ein Tierarzt, der zunächst mal auf weisse Stellen am Körper hinweist. Aha. Hat halt erstmal keinerlei gesundheitliche Relevanz und kommt bei unzähligen Mischlingen und Rassehunden vor, meist durch das Piebald-Gen. Dann weist er auf das Innenohr hin - juhu, eine korrekte Information, denn da hat er recht, wenn im Innenohr kein Pigment am Conti Organ vorhanden ist, können die Sinneszellen nicht überleben, die den Schall transferieren. Leider versaut er es wieder, indem er einen Link zieht von Merle zu nicht näher definierten "zentralnervösen Störungen" - es gibt keinen Nachweis, dass auch die dümmsten produzierten Doppelmerle-Welpen (übrigens durch das Tierschutzgesetz bereits seit Jahrzehnten verboten) selbst im schlechtesten Fall etwas anderes als Sicht-/Hörbehinderungen haben. Und der Vollständigkeit halber muss man auch noch Whitehead als mögliche Taubheitsursache nennen. Ja, deswegen existiert auch Stand heute keine einzige zuverlässige Zahl, ob Taubheit durch Merle statistisch überhaupt signifikant höher ist, als bei Non-Merles, weil es sehr viele Ursachen wie zB eine Infektion in der Tragzeit gibt.
"Dr Jähnig ärgert sich über Unkenntnis und Ignoranz." Ja, lieber Dr. Jähnig, da bin ich absolut bei Ihnen. So eine Berichterstattung ärgert mich auch masslos, eine Schande für jeden informierten Hundebesitzer, Tierarzt, Züchter oder Wissenschaftler. Die wissen nämlich, dass hier die grundlegendste und wichtigste Unterscheidung (bewusst?) nicht erwähnt wurde - ist dieser Hund ein Doppelmerle und hat damit nichts, aber auch gar nichts mit den Millionen von gesunden und glücklichen Merlehunden aus seriöser Zucht zu tun? Noch nie etwas von heterozygot und homozygot gehört? Und nochmal: Homozygot ist sogar per Tierschutzgesetz verboten. Also wäre hier die einzig richtige Vorgehen gewesen, die Merleallele dieses Hundes zu testen und sollte es sich um einen Doppelmerle aus längeren Allelen mit Handicap handelt - warum wurde nicht darauf hingewiesen, dass "Produzenten" (Züchter sind es nämlich nicht) solcher Hunde sofort angezeigt werden müssen wegen Verstoß gegen das TSchG? Ärgern reicht da leider nicht.
Dann sehen wir zwei Handicap-Doggen. Ausgerechnet Doggen, die einzige Rasse, die durch den nur in dieser Rasse vorhandenen Harlekinfaktor eine Ausnahme bildet und sich deswegen für das breite Publikum nicht eignet, weil es nochmal komplizierter ist. Wird natürlich nicht erklärt.
"Solche Weisstiger sind die Folge zweifelhafter Schönheitsideale." Nein, lieber SWR, solche Hunde sind die Folge davon, dass ausserhalb der seriösen Zucht jeder Vollpfosten Hund A auf Hund B springen lassen darf und ohne jede Sach- und Fachkenntnis Welpen produzieren darf. Das hat allerdings mit Merle oder Zucht oder Schönheit überhaupt nichts zu tun. Und mal logisch drüber nachgedacht: Selbst der verabscheuungswürdigste, skrupelloseste Vermehrer will die nicht, denn damit kann man nix verdienen, sieht man ja auch daran, dass die im Tierschutz gelandet sind. Dumme und/oder skrupellose Menschen hat es schon immer gegeben und es wird sie immer geben. Manche überfallen alte Omis, manche fahren besoffen Auto und bringen andere in Gefahr und wieder Andere produzieren kranke Welpen. Was Hunde angeht, gibt es allerdings auch noch den Käufer bzw die Käuferin, die eigentlich wissen könnte, dass man VOR dem Hundekauf vielleicht mal genauso viel Zeit investiert, wie in den letzten perfekt gefilterten Insta-Post oder auch nur die Anschaffung eines neuen Toasters. "Aber der sah so niedlich aus." Da stimmt dann wohl das Sprichwort "jeden Tag steht ein Dummer auf". Ich möchte auch gar nicht kommentieren, was da als "neurologische Störung" am Ende dargestellt wird - selbst ein Laie würde sich da fragen "wieso hat die den Hund denn nicht an einer Schleppleine für die Sicherheit aller Beteiligten, wenn sie doch "solche Angst" hat?" Aber als Tipp: Einfach mal einen Hundetrainer aufsuchen, der sich mit tauben Hunden auskennt, danach könnte sich die "neurologische Störung" nämlich ratzfatz in Wohlgefallen auflösen.
Nun... soviel zum Planet (Un)Wissen-Beitrag. Darauf angesprochen nennt der SWR als Informationsquelle die bzgl Merle wohl fachlich mangelhaftste Veröffentlichung, nämlich "Das Kuscheltierdrama" von Prof Dr Achim Gruber. Ich versuche mich kurz zu fassen: Dieses Buch befasst sich nur auf ein paar Seiten überhaupt mit Merle, hat keine einzige aktuelle Quelle angegeben, wo man korrekte Informationen nachlesen könnte und ist entsprechend einige Jahrzehnte hinter dem Stand der Forschung (2018) zurück. Er bezieht sich bzgl des Schwimmversuchs zB auf eine bereits lange vor Erscheinen seines Buches vielfach von anderen Wissenschaftlern kritisierte kleine Testgruppe von Dackeln, die (bewusst) durch extreme Inzest (Vater und Tochter) entstanden sind und leitet daraus ab, dass 50% aller Merles nicht schwimmen können. Erstens: Kleine Fallzahl. Zweitens: Extrem hohe Inzucht. Drittens: Nur EINE Rasse. Dackel sind auch ohne Merle nicht gerade als Seehunde bekannt. Und wenn man die einfach so in ein Becken wirft, haben manche schon mal Probleme. Das waren eben die 60er/70er Jahre, von Genetik hatte man null Plan und "man machte mal einfach und beobachtete". Sollte man von einem Prof Dr nicht erwarten können, vor Veröffentlichung mal zu hinterfragen, ob das so noch Gültigkeit hat? Es ist vielleicht nicht dienlich, wenn die hündischen Patienten schon das Zeitliche gesegnet haben als Leiter der Tierpathologie. Auch er macht leider nicht die wichtigste Trennung klar heterozygot versus homozygot und erklärt nicht die gut erforschte SINE Insertion: Merle ist eben nicht nach Mendel "ja" oder "nein", rezessiv und dominant, sondern man muss die Allele betrachten. Es gibt auch keine "carrier". Der Begriff "Weisstiger" wird auch hier gern verwendet, obwohl er völlig unwissenschaftlich ist und total überholt. Ich lade ihn gerne in die Merle-Gruppe (Merle-Muster bei Hunden) ein, um ihm gerne mal die ganzen Beispiele für Doppelmerles zeigen, die nicht mal eine Veränderung im Phänotyp aufweisen. Sagen wir mal so: Wenn ich Prof Dr Gruber wäre und mich jetzt mal auf den aktuellen Stand bringe bzgl merle, dann würde ich wohl händisch alle betreffenden Seiten aus meinen Büchern rausreissen und mich ein bisschen schämen gehen. Denn um als "leidenschaftlicher Anwalt der Tiere" andere aufklären zu wollen, muss man halt selbst erstmal aufgeklärt sein. So ist das gelegentlich, wenn man sich nur auf eine (sowieso recht knappe) Quelle bezieht, das kann schon mal gewaltig in die Hose gehen.
Ja, ich weiss. Ich bin mal wieder böse. Aber es ist wirklich schwer zu ertragen, wieviel kompletter Schwachsinn auch 2022 noch breit veröffentlicht wird bzgl Merle. Fast schon erstaunlich, dass es nicht auch für die Klimakrise und Drogenhandel verantwortlich ist. Ich bin ja nun schon seit bald 30 Jahre unter den Hundebesitzern und seit locker 10 Jahren auch ein Genetik-Nerd bzgl Hundezucht. In keinem einzigen Bereich oder auch einzelner Erkrankung ist je soviel falsch überdramatisiert worden, wie in Merle. Dabei gilt für Merle das, was für alle anderen Farben auch geht: Ein guter Hund hat keine Farbe. Und da auch diese Farbvarietät sicher (ja, 100% sicher) zu züchten ist, ist es weder notwendig, noch aus genetischer Sicht sinnvoll, merle gemusterte Hunde aus der Zucht auszuschliessen. Vielleicht gibt es ja Hoffnung und ein Dr Jähnig oder ein Prof Dr Gruber oder all die anderen "Merle-die-böse-Modefarbe"-Vertreter incl der Journalisten fühlen sich doch an ihrer Ehre gepackt und wollen irgendwann mal korrekt berichten - wir sind immer als Ansprechpartner für Euch da.
Link zum Ausschnitt und Bilderquelle: SWR Planet Wissen Homepage:
https://www.planet-wissen.de/video-merle-hunde...