Genetisch saubere Linien

Wir bedanken uns herzlich für die Erlaubnis, diesen Artikel hier veröffentlichen zu dürfen:

„Im Folgenden werden die „Aussie Genetic Fact Sheets“ von C.A.Sharp, der anerkannt besten Kennerin der rassetypisch genetischen Besonderheiten unserer Aussies, beigefügt. Die Erlaubnis zur Übersetzung und nichtkommerziellen Verbreitung dieser Abhandlungen liegt mir vor; Weitergabe an Dritte darf ausschließlich in rein privatem Rahmen und nicht zu weiterer Veröffentlichung erfolgen. Jede Form der Vervielfältigung oder Veröffentlichung, auch auszugsweise, darf nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Einwilligung erfolgen.

Gez. Ada N. Nowek, Hasentalweg 69, 21218 Seevetal (Spirit of No Surrender Australian Shepherds)“

 

1. Abhandlung: Genetically Clean Lines – Genetisch saubere Linien

Hunde haben ungefähr 100.000 Genpaare. Jeder Hund verfügt über ca. 4 oder 5 „lethal equivalents“. Ein „Lethal Equivalent“ ist ein Gen, welches, sofern es mit einem gleichartigen Gen zusammentrifft, den Tod des Tieres verursacht. Alle Hunde haben auch eine Reihe von Genen, die für weniger schwere Krankheiten oder Unannehmlichkeiten verantwortlich sind. Bedenkt man diese Information so wird klar, dass es so etwas wie „vollständig genetisch saubere“ Hunde oder Linien nicht geben kann.

Natürlich können Linien „sauber“ gegenüber bestimmten erblichen Defekten oder Erkrankungen sein, weil (und solange) ein solches Problem innerhalb dieser Linien bisher nie aufgetreten ist. Der Verfasser (C.A.Sharp) kann z.B. aus den von ihr gesammelten Informationen zu Collie Eye Anomaly (CEA) sagen, dass die meisten Arbeitslinien frei von dieser Erkrankung sind. Die Rasse insgesamt ist nahezu „sauber“ in Bezug auf Progressive Retina Atrophy, da diese ausgesprochen selten vorgekommen ist.

Jede Linie wird immer Stärken und Schwächen aufweisen. Wenn z.B. eine Linie bekannt ist für das Auftreten von Kuhhessigkeit, ist dies ein genetisches Problem dieser Linie. Es ist keine Erbkrankheit oder ein schlimmer Defekt, aber es ist ein Fehler und dieser ist erblich.

Je höher der Inzuchtanteil in einer Linie, desto größer wird das Risiko, dass auch schwerwiegende Probleme ans Licht kommen, da der Prozess der (Eng-?)Linienzucht nicht nur die guten Gene, auf die der Züchter sich besonders stützen will, sondern natürlich in gleichem Maße auch die weniger guten Gene konzentriert zueinander bringt. Ein Beispiel für diese These ist, dass der Wurf Welpen, der uns den Schlüssel zum Nachweis des Erbganges der CEA geliefert hat, ein Inzuchtwurf war – er ging auf mehrfach gleiche Anpaarungen zurück.

Wenn also keine Linie 100 % „sauber“ von allen Risiken ist, was sollte ein Züchter tun? Mit seinem besonderen, eigenen Zuchtziel im Auge (betreffend Typ, Gebäude, Temperament, Leistungsfähigkeit etc.) sollte er immer Paarungspartner suchen, deren familiärer Hintergrund dort besonders stark ist, wo der Hintergrund des eigenen Tieres Schwächen aufweist. Dies bedeutet, dass man seine intensive Betrachtung immer auf weit mehr als die zwei betreffenden Tiere, nämlich auf Informationen über so viele enge Verwandte dieser Tiere, wie man erlangen kann, ausdehnen sollte.

Das Wissen über die Augenuntersuchungen, Hüftauswertungen etc. der Stammhunde kann hilfreich sein, aber nur dann, wenn ein heute lebendes Tier (10 oder mehr Generationen später) vielfach auf einen dieser Stammhunde zurückgeht. Leider lebten und starben aber fast alle unsere Stammhunde lange bevor irgendjemand sie derartigen Untersuchungen unterzogen hätte.

Endlose Debatten um „hässliche kleine Arbeitshunde“ gegen „dumme schick-schick-Showhunde“ helfen niemandem. Die Freunde der Arbeits- und Freunde der Showhunde haben sehr unterschiedliche Ziele. Nicht der eine oder andere ist deshalb mehr oder weniger im Recht, besser oder schlechter. Unter dieser Grundvoraussetzung muss aber als zutreffend dargestellt werden, dass in den Showlinien deutlich mehr erbliche Probleme auftreten als in den Arbeitslinien. Dies liegt nicht daran, dass die „Show-Züchter“ schlechter wären. Es liegt an ihren ganz anderen Zielen und Zuchtstrategien der Vergangenheit.

Showzüchter sind eher bereit, Inzucht oder Linienzucht zu betreiben, um ihre Ziele (überwiegend äußerliche, leicht ersichtliche Zuchtziele) so schnell wie möglich zu erreichen.

Die Nutzung von „Popular Sires“ (Gefragte Vererber) ist schon lange ein Thema. Wir wissen erst seit kurzer Zeit genug über Genetik um auch erkannt zu haben, dass es zu dieser Zuchtstrategie eine Kehrseite gibt. Zu eben dieser Strategie, die uns allen über lange Zeit als die beste überhaupt vermittelt wurde. Da nun neue Erkenntnisse belegen, dass dies nicht der beste Weg ist, macht dies nicht automatisch die Showzüchter schlecht, es bedeutet nur, dass sie einen Schritt zurück gehen und neue für ihre Ziele passende Zuchtstrategien erarbeiten müssen.

Züchter der Arbeitslinien haben ihr Augenmerk schon immer mehr auf die erwünschte Leistungsfähigkeit als auf „Stammbaum“ gerichtet. Die Hütefähigkeiten, auf die sie Wert legen, sind einem genetisch sehr komplizierten Schema unterworfen und deshalb besonders schwer auf der Basis von Vorfahren züchterisch zu „festigen“. Aus diesem Grund haben „Arbeitszüchter“ schon immer weniger „Linienenzucht“ betrieben und sind deshalb auch weniger die Gefahr der Verdoppelung schlechter Gene eingegangen. Ihr Bestreben um kraftvolle körperliche Leistungsfähigkeit lässt Gedanken an Tiere mit schwächerer Gesundheit, minderer körperlicher Leistungsbereitschaft oder mental unausgeprägter Eigenschaften als Paarungspartner gar nicht zu. Dies sind Dinge, die teilweise Anderen, welche nicht ein so anspruchsvolles Leben MIT den Hunden führen, gar nicht bewusst werden.

Dies bedeutet NICHT, dass „Arbeitszüchter“ besser wären. Sie wussten nicht etwa mehr über Genetik als die Showzüchter. Sie hatten einfach das Glück, dass ihre Auswahlkriterien weniger Gefahrpotential in der Weise enthielten, dass unerwünschte Gene sozusagen regelmäßig zusammengeführt wurden.

Sofern ein Showzüchter gehalten ist, einen Outcross zu machen, um von in seiner Linie aufgetretenen Problemen wieder wegzuzüchten und Schwierigkeiten dabei hat, innerhalb der von ihm favorisierten traditionellen Showlinien einen geeigneten Paarungspartner zu finden, sollte er den Outcross in eine Arbeitslinie in seine Überlegungen mit einbeziehen. Dies ist eine Möglichkeit für einen Showzüchter, neues genetisches Material in seine Linie einzubringen und ein Stückweit von dem aufgetretenen Problem wegzurücken. Es gibt so viele, vom Gebäude her korrekte und ansehnliche Arbeitshunde. Wenn auch der Showzüchter zunächst ein wenig von seinem „bevorzugten Typ“ einbüßen wird, kann er dies in einer oder zwei Generationen wieder erreicht haben. Und – die aus einem solchen Outcross entstehenden Welpen werden keine „Arbeitshunde“ sein. Einige werden vielleicht arbeiten, aber die meisten werden auf jeden Fall nicht dem Standard, den Arbeitszüchter voraussetzen würden, nahe kommen und sollten deshalb auch nicht als solche angeboten werden.

Arbeitszüchter sollten nicht automatisch auf einen Showzüchter herabsehen, der an ihren Hunden interessiert ist. Einem Arbeitslinien-Zuchtrüden werden keine Nachteile erwachsen daraus oder Gerüchte, wenn er zur Zucht auch mit einer Showhündin eingesetzt wird.

Züchten ist ein „Hartes Brot “.Es gibt keine Chance zu erfahren, wo und mit welchem Status behaftet jedes dieser 100.000 Genpaare ist. Unsere Aufgabe als Züchter, unabhängig von unseren persönlichen Zuchtzielen ist es, herauszufinden, wo wir Risiken befürchten müssen, die Mühen dieses Spieles zu begreifen (Stammbaum-Forschung) und was immer wir tun können zu tun, dies immer zu bedenken. Dabei dürfen wir aber nie vergessen, dass wir so manches Mal Glück haben können, aber auch immer wieder trotz aller Bemühungen mit Rückschlägen und Unglück konfrontiert werden.

Ich hoffe Euch hat das Rundschreiben gefallen und Ihr unterstützt mich mit interessanten Artikeln.

 

Kommentar hinterlassen